Vor ein paar Tage habe ich über den Beitrag von Anja C. Wagner im Webinar „Wie können politische Rahmenbedingungen erfolgreiches Lernen begünstigen?“ geschrieben. (Auf der Suche nach einem Bildungssystem für das digitale Zeitalter). Dort ging es auch um ein bedingungsloses Lernguthaben (Belgut), welches das Potential hat, den digitalen Wandel zu begleiten und die Bildungslandschaft grundlegend zu verändern.
Meine Gedanken zum Belgut – die Mittel, die Teilnehmenden und der ganze Rest
Kurz vorweg: Ein bedingungsloses Lernguthaben (Belgut) beantwortet die Frage “ Wer bekommt das Bildungsbudget des Staates: die Institutionen oder die Menschen?“ mit „Die Menschen“. Das Individuum wird in das Zentrum der Mittelvergabe gestellt. Bildungsangebote werden dann generiert, wenn genügend Menschen ihr Lernguthaben dafür anzapfen und nicht dann, wenn Planende meinen, das könnte jetzt mal eine sinnvolle Veranstaltung sein, für die sich ausreichend Teilnehmende anmelden. Wer mehr wissen möchte schaut bitte hier: https://frolleinflow.com/2016/02/08/belgut-das-bedingungslose-lernguthaben/
Der Unterschied zwischen „Mittel an die Menge der Teilnehmenden koppeln“ und „Mittel an Menschen koppeln“ ist fundamental. Mittel an die Zahl der Teilnehmenden binden kann dazu führen, dass unzeitgemäße / nutzlose Bildungsangeboten weniger werden. Es kann aber auch bedeuten, dass mein persönliches Bildungsinteresse nur dann befriedigt werden kann, wenn sich genügend andere finden, die das gleiche Interesse haben (Kurs muss voll werden). Das Problem ließe sich durch mehr Online-Angebote und durch ein besseres Finden dieser Angebote lösen (eine gute zentrale Weiterbildungs-Datenbank wäre ja schon mal ein Fortschritt).
Es bleibt aber das Problem: Als bildungswilliger Mensch bin ich auf die Angebote der Anbieter angewiesen. Und je nach Art des Bildungsangebots muss ich mich auch durch Sequenzen des Angebots durchhangeln, die ich vielleicht schon kenne oder die für mich schlicht uninteressant sind (zumindest, wenn ich einen Nachweis über meine Teilnahme erhalten möchte). Und ich muss da durch, weil irgendein Angebotsentwickler (der meine Lebenssituation, meinen Bildungsstand, meinen Kenntnisstand … nicht kennt) meint, das ist jetzt nötig.
Ein bedingungsloses Lernguthaben kann die ganze Weiterbildungsangebotslandschaft verändern. Denn wenn (ein größerer) Teil des Geldes von denen kommt, die sich bilden möchten, dann kommen Institutionen kaum mehr umhin, diesen Menschen „zuzuhören“. Dann (glaube ich …. wer weiß …) kann es passieren, dass Institutionen nicht mehr nur evaluieren und Qualitätssicherung betreiben sondern auch kundengerechte Angebote entwickeln – und zwar mit den Mitteln, mit denen Unternehmen heute arbeiten. Und das sind mehr und andere Methoden als gelegentliche Umfragen und auswertbare Nachfragen. Die ganze Erwachsenen-Bildungslandschaft hat u.a. dieses Problem: Wir wissen nicht, was die Leute wirklich brauchen. Es werden viel zu wenige Daten erhoben und analysiert – in Zyklen und auch nach längerem Abschluss eines Angebots – und die Daten, die vorhanden sind, werden nicht entsprechend ausgewertet (die behält jede Institution gerne für sich). Was BigData da alles Sinnvolles voranbringen könnte … Alle Bildungseinrichtungen haben Kontaktdaten von bildungswilligen Menschen, nutzt diese Schätze für die Menschen.
Allerdings glaube ich nicht, dass es in der Breite funktionieren wird, Angebote erst dann zu generieren, wenn genügend Menschen bereit sind, ihr Belgut dafür auszugeben. Weil vielen Menschen die Zeit fehlt, das präzise genug zu formulieren und viele Menschen nicht gut genug abschätzen können, was sie gerne hätten / was sie in ihrer Lebenssituation brauchen.
Aber ein Lernguthaben kann dazu führen, dass Bildungsangebote anders sind. Ein „Bildungsangebot“ kann dann vielleicht mal eine Idee sein, die man anbietet und nicht ein fertiges Paket mit Curriculum, Stoff- und Stundenplan und allem Pipapo (solche Pakete wird es weiter geben, denn – so zumindest meine Erfahrung – viele Menschen mögen sehr strukturierte Lernangebote). Vielleicht werden die Pakete kleiner (Einzelmodule) und ich kann die Module an unterschiedlichen Einrichtungen absolvieren. Als Bildungsteilnehmende bin ich dann nicht mehr an eine Institution gebunden sondern an Bildungsmodule (die zu Abschlüssen führen können – oder auch nicht).
Darüber hinaus würde ein Belgut zu einem Bewusstsein führen, dass Bildung / Weiterbildung unerlässliche Notwendigkeiten in einer digitalen Gesellschaft / Volkswirtschaft sind. An diesem Bewusstsein scheint es mir zu fehlen. Aber das brauchen wir; dringend.