GreenComp: Lebenslanges Lernen für eine nachhaltige Zukunft

Der Europäische Rahmen für Nachhaltigkeitskompetenzen (GreenComp): Lebenslanges Lernen für ökologische Nachhaltigkeit fördern.

Dieser Beitrag wurde auf zuerst auf EPALE veröffentlicht: https://epale.ec.europa.eu/de/blog/greencomp-lebenslanges-lernen-fuer-eine-nachhaltige-zukunft

Der GreenComp versteht sich als Antwort auf globale Umweltprobleme und -Katastrophen, die sich lokal und auf unseren Alltag auswirken. Die Kompetenzen, die dieses Framework definiert, sollen helfen, den komplexen Herausforderungen zu begegnen und das Lernen für nachhaltiges, ressourcenschonendes Handeln unterstützen.

Entstehung und Bezugsrahmen des GreenComp

Kernanliegen des GreenComp

Mit dem GreenComp sollen nachhaltiges Denken, Planen und Handeln gefördert werden. Dafür wurden vier Kompetenzbereiche mit jeweils drei Kompetenzen identifiziert, die in Bildungsangebote einfließen können. Menschen jeden Alters sollen so Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen entwickeln, um sich verantwortungsvoll um die Gegenwart und Zukunft unseres Planeten zu kümmern.

Das Rahmenwerk versteht sich als Reaktion auf die politischen Maßnahmen, wie sie im ‚Europäischen Green Deal‘ und in der ‚European Education Area by 2025‘ (Europäischer Bildungsraum) festgelegt wurden.

Entwickelt wurde der GreenComp von der ‚Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission‘ (Joint Research Centre, JRC ). Seine Entstehung wurde begleitet durch Konsultationen von Expert*innen verschiedener Disziplinen und Interessenvertreter*innen aus den Bereichen ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ und ‚Lebenslanges Lernen‘.

Ziele des GreenComp

Der GreenComp ist ein Referenzmodell – ausdrücklich kein Curriculum – welches für alle Personen nutzbar sein soll, die mit der Planung und Gestaltung von Lernangeboten befasst sind. Er spricht formale, non-formale und informelle Lernmöglichkeiten an und möchte das Lernen für ökologische Nachhaltigkeit über alle Lebensphasen hinweg unterstützen.  Neben Trägern der allgemeinen und beruflichen Bildung adressiert das Rahmenwerk auch Arbeitgeber und das unternehmensinterne Lernen. 

Zwar besteht in der Literatur1 ein größerer Konsens darüber, welche Kompetenzen im Bereich ‚Bildung für nachhaltige Entwicklung‘ wichtig sind. Jedoch sind Kompetenzbeschreibungen bislang nur schwerlich so ausgestaltet, dass sie in die heterogenen Angebotsstrukturen des lebenslangen Lernens übernommen werden können. Bei der Implementierung von allgemeiner formulierten Nachhaltigkeitskompetenzen sind Bildungsverantwortliche meist allein gelassen. Hier möchte der GreenComp Unterstützung bieten.

Des Weiteren möchte der GreenComp als gemeinsame Referenz verstanden werden. Damit kann er Grundlage für Anpassungen aber auch für gemeinsame Weiterentwicklungen sein. Die Kompetenzen des GreenComp sind also nicht in Stein gemeißelt. Die Kompetenzdefinitionen geben allen Bildungsbeteiligten eine fundierte Basis, auf der über deren Sinn und deren Zielführung diskutiert werden kann. Das kann zu Erweiterungen oder Neudefinitionen von Kompetenzen führen.

Zudem möchte er Kompetenzen übertragbar machen und so die Mobilität innerhalb der EU fördern.  Denn Nachhaltigkeitskompetenzen werden zukünftig als ein wichtiger Teil beruflicher Kompetenzen angesehen.

Nachhaltigkeit und Nachhaltigkeitskompetenzen: Was ist gemeint?

Die Probleme bei der Ausrichtung von Bildungsangeboten für nachhaltige Entwicklung beginnen oft schon bei der Definition der Begriffe. Der GreenComp stellt Definitionen2 zur Verfügung, die für dieses Rahmenwerk gelten.

Nachhaltigkeit im Sinne des GreenComp bedeutet, dass den Bedürfnissen aller Lebensformen und denen des Planeten Vorrang eingeräumt wird, indem sichergestellt wird, dass die menschlichen Aktivitäten die Belastungsgrenzen des Planeten nicht überschreiten. Der GreenComp bezieht sich also auf ökologische Nachhaltigkeit und ist daher kein Referenzmodell zur Umsetzung aller UN-Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs). Doch er referenziert bei seinen Definitionen und Beispielen immer wieder zu verschiedenen SDGs. 

Nachhaltigkeitskompetenzen werden wie folgt definiert: Lernende verinnerlichen Nachhaltigkeitswerte, sie können Systeme erfassen und Maßnahmen fordern oder ergreifen, die das Ökosystem erhalten oder wiederherstellen. Und sie können Visionen für eine nachhaltige Zukunft entwickeln.

Struktur und Kompetenzen des GreenComp

Der GreenComp umfasst vier Kompetenzbereiche, die jeweils drei Kompetenzen enthalten. Diese werden hier zusammengefasst dargestellt. Jede Kompetenz wird dazu um die Komponenten Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen erweitert, die als Beispiele für die praktische Ausprägung und Umsetzung der jeweiligen Kompetenz gedacht sind.

Screenshot GreenComp: The European sustainability competence framework, S. 3

Kompetenzbereich ‚Verankerung von Nachhaltigkeitswerten‘

Dieser Kompetenzbereich fokussiert auf das Erkennen, Reflektieren und Hinterfragen eigener Werte und persönlicher Bezugspunkte zur ökologischen Nachhaltigkeit. 

Er umfasst diese Kompetenzen:

  • Nachhaltigkeit wertschätzen: Persönliche Werte reflektieren und dabei kritisch bewerten, wie sie mit den Werten der Nachhaltigkeit übereinstimmen.
  • Fairness unterstützen: Gerechtigkeit für heutige und zukünftige Generationen und das Lernen für Nachhaltig von früheren Generationen unterstützen.
  • Fördern der Natur: Anerkennen, dass Menschen Teil der Natur sind sowie Bedürfnisse und Rechte anderer Arten und der Natur respektieren.

Kompetenzbereich ‚Berücksichtigung der Komplexität der Nachhaltigkeit‘

In diesem Kompetenzbereich geht es um das Erkennen von Strukturen und Systemen, die für ökologische Nachhaltigkeit bedeutsam sind. Und um das Reflektieren von Faktoren, die mit Umweltproblemen verbunden sein können, wie zum Beispiel die Komplexität der Gesellschaft (Lebensstile), sozioökologische Probleme und wirtschaftliche Aktivitäten.

Er umfasst diese Kompetenzen:

  • Systemdenken: Sich einem Nachhaltigkeitsprobleme von allen Seiten nähern; Zeit, Raum und Zusammenhang dabei berücksichtigen.
  • Kritisches Denken: Informationen und Argumente bewerten, Fakten und Annahmen identifizieren, den Status quo hinterfragen.
  • Problemlösungsstrategien: Herausforderungen als Nachhaltigkeitsproblem formulieren und spezifizieren, um Lösungsansätze zu identifizieren.

Kompetenzbereich ‚Visionen für eine nachhaltige Zukunft‘

Dieser Kompetenzbereich soll Offenheit gegenüber alternativen Entwicklungsszenarios fördern. Alternativen erkennen und formulieren können, ermöglicht das gemeinsame Gestalten einer nachhaltigen Zukunft. Denn trotz Ungewissheit über die Zukunft sollte man Entwicklungsmöglichkeiten sehen können, um nicht von Unsicherheit oder Besorgnis gelähmt zu werden.

Er umfasst diese Kompetenzen:

  • Zukunftskompetenz: Sich alternative, nachhaltige Zukünfte vorstellen, indem Szenarien entwickelt und die Schritte identifiziert werden, diese zu erreichen.
  • Anpassungsvermögen: Bewältigung von Herausforderungen in komplexen Nachhaltigkeitssituationen und zukunftsbezogene Entscheidungen treffen können, in Anbetracht von Ungewissheit, Mehrdeutigkeit und Risiken.
  • Forschendes Denken: Eine Denkweise annehmen, bei der verschiedene Disziplinen erforscht und verknüpft werden und dabei Kreativität und Experimente mit neuen Ideen und Methoden eingesetzt werden.

Kompetenzbereich ‚Handeln für die Nachhaltigkeit‘

Dieser Kompetenzbereich ist sicher selbsterklärend. Auf individueller und kollektiver Ebene für Veränderungen – hier eine nachhaltige Zukunft – aktiv zu werden, kann als ein Kernanliegen der politischen Bildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung angesehen werden.

Er umfasst diese Kompetenzen:

  • Politisches Handeln: Sich im politischen System zurechtfinden, politische Verantwortung für nicht nachhaltiges Verhalten identifizieren und wirksame Richtlinien für Nachhaltigkeit fordern.
  • Kollektives Handeln: Gemeinsam mit anderen für Veränderungen eintreten.
  • Individuelle Initiative: Das eigene Potenzial erkennen und aktiv dazu beitragen, die Perspektiven für die Gesellschaft und den Planeten zu verbessern.

Die Chancen des GreenComp für die Erwachsenenbildung und darüber hinaus

Anknüpfungspunkte für unterschiedlichste Lernangebote

Nachhaltigkeit muss gelebt werden, damit sie wirken kann. Das setzt voraus, dass wir unsere Haltungen und Werte erkennen und reflektieren, Systeme und Strukturen verstehen, Alternativen für unsere persönliche und gesellschaftliche Lebensgestaltung entwickeln und diese aktiv umsetzen. Diese Abfolge – vom Erkennen zum Handeln – drückt sich in den Kompetenzbereichen des GreenComp aus. Sie bieten unterschiedlichste Ansatzpunkte auf verschiedenen Ebenen des Lernens und kommen so der Angebotsvielfalt, insbesondere in der non-formalen Erwachsenenbildung, sehr entgegen. Denn – wie schon geschrieben – der GreenComp ist kein Lehrplan, er kann aber eine Grundlage dafür sein. Es geht nicht darum, Bildungsangebote zu entwickeln, die alle Kompetenzen des GreenComp in gleichem Maße fördern (Ob das überhaupt wünschenswert ist, sei dahingestellt). Möglich ist aber, je nach Bildungsträger und Zielgruppe, einzelne Kompetenzen oder Kompetenzbereiche in praxistaugliche Lernangebote umzusetzen.

Lernen für Transformation: Zukunftskompetenz entwickeln

Würde man im GreenComp das Wort „Nachhaltigkeit“ streichen bekäme man ein Referenzmodell, welches für unterschiedliche Transformationsprozesse geeignet scheint. Eigentlich wurde dafür der LifeComp, der europäische Rahmen für persönliche, soziale und lernbezogene Kompetenzen, entwickelt. Doch fehlt dem LifeComp ein Kompetenzbereich der vergleichbar ist mit dem der ‚Visionen für eine nachhaltige Zukunft‘ und der dort beschriebenen Zukunftskompetenz. Gerade dieser Kompetenzbereich ist besonders wichtig, denn es geht bei der Förderung einer nachhaltigen Lebensweise nicht nur um Sensibilisierung für Veränderungen und Anpassung an einen Transformationsprozess. Es geht zentral darum, in der Gegenwart Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und aktiv zu werden, um dadurch die Zukunft mitzugestalten.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten

Auch wenn der GreenComp sich an Personen richtet und für Lernprozesse angelegt ist, so kann man sich Anwendungsmöglichkeiten vorstellen, die darüber hinaus gehen. Zwei seien hier exemplarisch genannt:

Der GreenComp könnte als Referenzmodell zur Erhebung von ökologischen Nachhaltigkeitskompetenzen dienen und aufzeigen, wie die Gesellschaft mit den Herausforderungen des ökologischen Wandels zurechtkommt. Für digitale Kompetenzen geschieht dies in Deutschland bereits: Die Kompetenzen des DigComp bilden die Grundlage des D21-Digital-Index3, eine jährliche Studie, die den Digitalisierungsgrad der Bevölkerung ermittelt.

Denkbar ist auch, dass Organisationen den GreenComp nutzen, um den Stand interner Nachhaltigkeitskompetenzen zu ermitteln und nachhaltiges Handeln der Organisation (weiter-)entwickeln. Besonders Bildungsträger, die diese Kompetenzen bei Lernenden fördern möchten, sollten selbstverständlich mit gutem Beispiel voran gehen4. Der GreenComp kann in angepasster Form hierfür eine große Hilfe sein.

Voraussetzungen, damit der GreenComp für die Erwachsenenbildung nutzbar ist

Der GreenComp sollte in möglichst viele Sprache übersetzt werden. Nur so erleichtert man Bildungsanbietern seine Anpassung und Implementierung. Und auch eine organisations- und länderübergreifende Weiterentwicklung des Rahmenwerks wird durch Übersetzungen vorangebracht.

Wenn wir als Erwachsenenbildner*innen Nachhaltigkeitskompetenzen fördern möchten, dann sollten wir natürlich selbst entsprechende Kompetenzen erworben haben. Fortbildungen sind notwendig, um uns einen umfassenden Kompetenzaufbau zu ermöglichen4. Damit solche Fortbildungsangebote greifen, sollten sie für alle Mitarbeiter*innen der Erwachsenenbildung (Lehrende, Planende, Verwaltungspersonal) sowohl finanzierbar wie auch zeitlich realisierbar sein.  Unser eigenes Lernen, das Lernen der Bildungsträger und das Lernen unserer Zielgruppen sollte ein parallellaufender Weg sein, den wir gemeinsam beschreiten.

Weiterlesen:

EPALE Open Educational Ressource: OER – Erwachsenenbildung und Nachhaltigkeit: https://epale.ec.europa.eu/de/blog/oer-erwachsenenbildung-und-nachhaltigkeit

EPALE: Wir haben nur eine Welt: Manifest zur Erwachsenenbildung und Bildung für Nachhaltigkeit, https://epale.ec.europa.eu/de/blog/wir-haben-nur-eine-welt-manifest-zur-erwachsenenbildung-und-bildung-fuer-nachhaltigkeit, Ergebnis eines Workshops der EPALE Community Conference, Oktober 2021

wb-web: Dossier ‚Nachhaltigkeit in der Erwachsenen- und Weiterbildung‘, https://wb-web.de/dossiers/nachhaltigkeit.html

Lohrer, Maren: Problem Plastik, EPLE Blog, https://epale.ec.europa.eu/de/blog/problem-plastik   

Fußnoten

Der Beitrag „GreenComp: Lebenslanges Lernen für eine nachhaltige Zukunft“  von Dörte Stahl ist lizenziert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz. Die verlinkten Werke und die Abbildungen im Beitrag stehen unter eigenen Lizenzen. Bitte vor dem Verwenden prüfen.

Bildnachweis Beitragsbild: geralt – https://pixabay.com/de/illustrations/erde-globus-geburt-neu-entstehen-4455336/ , pixabay.com

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